Jahresauftaktveranstaltung beim Frauenhofer ICT
Prof. K. Pinkwart wurde 2020 in den nationalen Wasserstoffrat berufen. Dieser hat als Ziel, die Klimaneutralität zu erreichen und die Erderwärmung unter 2°C zu drücken. Mehr Info's gibt's im Artikel!
BME-KAR zu Gast beim Fraunhofer ICT in Pfinztal – Berghausen
Wasserstoff – alternativlose Energie der Zukunft
Zur Jahresauftaktveranstaltung am 30.01.2023 durfte Andrea Münch vom BME Karlsruhe-Mittelbaden zahlreiche Interessierte begrüßen. Pandemiebedingt konnten in den vergangenen Jahren kaum Präsenzveranstaltungen stattfinden. Die Anwesenden waren erfreut über die Ankündigung, dass im Jahr 2023 monatliche Veranstaltungen stattfinden sollen.
Vortrag zum Thema „Wasserstoff für eine klimaneutrale Industrie“
Prof. Karsten Pinkwart, stellv. Institutsleiter am Fraunhofer ICT und Professor an der Hochschule Karlsruhe hielt einen spannenden Vortrag zum Thema Wallerstoff. Pinkwart wurde 2020 in den Nationalen Wasserstoffrat berufen und ist im Beirat der Wasserstoff Roadmap Baden-Württemberg. Der Beraterkreis der Bundesregierung hat die Zielsetzung, die Klimaneutralität zu erreichen und die Erderwärmung um unter 2 Grad Celsius zu drücken
Die Gäste erfuhren, dass die Industrie maßgeblich zum CO²-Ausstoß beiträgt. Da in 20 Jahren die Erdölressourcen vermutlich aufgebraucht sein werden, sind neue Wege zur Energiegewinnung unumgänglich, die Zeit drängt. Die Alternative heißt ausschließlich Wasserstoff, deswegen gibt es eine nationale Wasserstoffstrategie. Ein nationaler Wasserstoffrat unter Federführung des Wirtschaftsministeriums, der sich 14tägig trifft, wurde eingerichtet. Weitere Ministerien und das Kanzleramt sind in die Arbeit eingebunden, bei der 26 Experten in 6 Arbeitsgruppen tätig sind. Weltweit bestehen 130 Wasserstoffstrategien unterschiedlicher Zielrichtungen. Bei der Herstellung von Wasserstoff unterscheidet man je nach Umweltbelastung zwischen grauem, blauem, türkisem und grünem Wasserstoff. Letzteren will man in Zukunft haben.
Der Referent berichtet über die künftige Anwendung von Wasserstoff und prognostiziert, dass die zu bildende Versorgungsstruktur nur mit Sektorenkoppelung funktionieren wird. Unter Berücksichtigung möglicher weltweiter politischer Veränderungen ist es unabdingbar, dass sich Europa energetisch unabhängig macht. Erstanwender der aus Wasserstoff zu gewinnenden Energie wird die Stahlindustrie sein. Für den Transport des Wasserstoffs seien Pipelines geplant. Bestehende Erdgasleitungen eignen sich hierfür nur bedingt, da Wasserstoff mit einem dreifach höheren Druck als Erdgas durch die Leitungen gepumpt werden müssen. So genannte „Mehrfachleitungen“, die sowohl Erdgas als auch Wasserstoff transportieren können, sind rar. In Baden-Württemberg gibt es lediglich eine davon. Bis zum Jahr 2030 sind 5 Pipelinekorridore in Deutschland geplant, 2040 sollen 10 erstellt sein, da ist Baden-Württemberg mit dabei. Bis dahin müssen die Verteilnetze fertiggestellt sein.
Die Gäste erhielten Informationen zu Speichermöglichkeiten für Wasserstoff und dass Karlsruhe bis 2040 an das Fernleitungsnetz angeschlossen werden soll. Beim Rheinhafen soll ein Wasserstoffpark entstehen. Prof. Pinkwart betont, dass der Wandel nur mit einer funktionierenden Infrastruktur gelingen kann. Wasserstoff muss auch für die Industrie bezahlbar sein, andernfalls wandert die Industrie in andere Länder ab.
Zweitgrößter CO²-Treiber ist der Verkehr, der zu mindestens 33 % des Ausstoßes beiträgt. Flugzeuge haben einen sehr hohen CO²-Ausstoß. Das CO² bleibt für ca. 20 Jahre in der Atmosphäre. Der Referent zeigt auf, wie die Mobilität der Zukunft aussehen kann. Künftig werden Brennstoffzellen, Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe die Energiequellen für Fahr- und Flugzeuge sein. Schiffe könnten künftig mit Ammoniak oder Methanol angetrieben werden.
Zusammenfassend stellt Prof. Pinkwart fest, dass es für die Zukunft keine Alternative zum Wasserstoff gibt. Die Politik muss agieren, andernfalls ist unsere Industrie vom Weltmarkt abgehängt. In Korea werden bereits heute zu 40 % wasserstoffbetriebene Autos gebaut. Es ist davon auszugehen, dass in 5 Jahren bezahlbare Brennstoffzellen-Autos auf dem Markt sind. Batteriebetriebene LKWs seien nicht zukunftsfähig.
Besichtigung des Fraunhofer ICT
Beim anschließenden Rundgang konnten die Gäste einen Einblick in die Arbeit des Instituts gewinnen.
Das „Fraunhofer ICT“ mit Sitz in Pfinztal-Berghausen ist eine Einrichtung der Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e.V.. Seine Aktivitäten sind der angewandten Forschung und Entwicklung im Fach der Ingenieurwissenschaften auf dem Gebiet der Wehrtechnik und der Umwelttechnik zuzuordnen.
Die Aufgaben des Instituts sind aufgeteilt in die Kernbereiche Verteidigung, Sicherheit, Luft- und Raumfahrt, Automobil und Verkehr, Chemie und Pharmazie, Energie und Umwelt. In diesen Kernbereichen wird interdisziplinär und themenbezogen für bestimmte Branchen und Produkte geforscht und entwickelt. Interdisziplinär bedeutet hier, dass Ingenieure, Chemiker und Physiker, Techniker und Laboranten aus unterschiedlichen Produktbereichen gemeinsam an einem Thema arbeiten. Zum Ende des Jahres 2020 waren am Fraunhofer ICT 542 Mitarbeiter beschäftigt (Quelle: Wikipedia).
Erste Station des Rundgangs war das riesige Presswerk, in dem ganze Autoteile gepresst werden. Der Rundgang führte am Chemielabor vorbei, in dem chemische Substanzen und Materialien vor ihrer vorgeschriebenen Zertifizierung getestet werden. Hier werden beispielsweise Batterien manipuliert, um ihre Reaktion im Schadensfall zu simulieren. So kennt man beispielsweise die Folgen des Aufpralls eines Tesla-Fahrzeuges mit 200 Stundenkilometern gegen eine Wand.
Das Institut verfügt auch über eine Halle zur Testung der Flugsicherheit. Hier werden Prüfgeräte zum Aufspüren von Sprengstoffen getestet und Sprengstoffspürhunde ausgebildet. In der Fertigungshalle des Instituts konnten die Entwicklungen in der Leichtbauweise von Flugzeugausstattungen bestaunt werden. Pro Kilogramm Gewicht entstehen über die Lebensdauer eines Flugzeugs Betriebskosten in Höhe von 500 €, da ist es nachzuvollziehen, dass die Flugzeugbauer ein hohes Interesse an der Leichtbauweise haben.
Schließlich führte der Rundgang zum Betriebsgebäude des großen Windrads des ICT, welches seit 5 Jahren unter Spitzenlast 2 MW Strom erzeugt. Damit können ca. 40 % des Energieverbrauchs des ICT gedeckt und etwa 100 Einfamilienhäuser mit Energie versorgt werden. Riesige Batterien dienen der Stromspeicherung. In Flüssigtanks im Untergeschoss des Betriebsgebäudes mit einer Füllkapazität von 700.000 l kann nicht benötigter Energie aus dem Windrad vorübergehenden gespeichert werden. Das Windrad weist eine Energieeffizienz von stolzen 75 % auf.
Bleibend sind die Eindrücke von der Fülle der zukunftsweisenden Betätigungsfelder des Instituts. Sensibilisiert durch die brisante und aktuelle Thematik über den Wasserstoff als alternativloser Energie der Zukunft verabschiedeten sich die Gäste.
Renate Mutter
Informationen
Datum:
30.01.2023, 17:00 bis 21:00
Referenten:
Prof. Karsten Pinkwart
Kosten:
Keine
Veranstaltungsformat
Präsenzveranstaltung